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Rollenbilder auf die Agenda

P.S. vom 14. Juni 2019

Rollenbilder gehören auf die (gleichstellungs-)politische Agenda. Denn ohne Überwindung einengender Geschlechterrollen ist keine echte Gleichstellung möglich.

Céline Widmer und Jean-Daniel Strub

Der Frauen*streik wirkt. Das zeigt sich jetzt, im unmittelbaren Vorfeld, an vielen Orten ganz direkt. So etwa in der – bekanntermassen tief bürgerlichen – Presse an Pfingstsonntag. Das Blatt von der Zürcher Falkenstrasse widmet dem Thema mehrere Artikel, unter anderem eine Doppelseite über die beklemmende Stagnation, die sich in der Schweiz in Gleichstellungsbelangen auf allen Ebenen statistisch nachweisen lässt. Sie zeigt sich bei der Lohnungleichheit. Sie zeigt sich bei der Vertretung von Frauen in politischen Ämtern und leitenden Funktionen in Unternehmen. Und sie zeigt sich speziell auch bei der Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern im Haushalt.
Wie es in der NZZ am Sonntag nachzulesen ist, zeichnen aktuelle Statistiken ein Bild, das jenem 20 Jahre zuvor frappierend ähnlich sieht: Während die Männer zwar inzwischen wöchentlich 29 Stunden in Familie und Haushalt arbeiten, hat sich der entsprechende Anteil der Frauen nicht etwa verringert. Sondern er liegt mit 53 Stunden immer noch deutlich über jenem der Männer und gar noch eine Stunde höher als 1997.

Kaum Fortschritte

Zwar engagieren sich Männer durchaus stärker in der Familie. Aber das traditionelle Ernährermodell wird praktisch nicht hinterfragt – weder von Frauen noch von Männern – und am innerfamiliären Aufgaben-Gap ändert sich nichts. Und genau das ist das Problem! In der Schweiz gelingt es ganz offensichtlich nicht, Prozesse in Gang zu bringen, die zu einer gerechteren Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und Männern führen. Noch immer arbeiten viel mehr Frauen Teilzeit (rund 59 Prozent) als Männer. Zwar stieg der Anteil Teilzeit arbeitender Männer insgesamt seit 1991 von 10 Prozent auf 18 Prozent – doch leider verharrt er ausgerechnet bei der Gruppe der Väter kleiner Kinder bei der Marke von 1991. Der Unterschied hat sich kaum verringert, die Auswirkungen davon bleiben gleichstellungspolitisch genauso spürbar.

Das gleiche Bild bestätigt übrigens auch der dritte «Men Care-Report Schweiz» aus dem letzten Jahr. Und er verweist zu Recht darauf, dass das Festhalten am traditionellen Ernährermodell starke strukturelle Gründe hat: etwa mangelnde Kinderbetreuungsangebote, das Fehlen eines Vaterschaftsurlaubs und einer Elternzeit, steuerliche Fehlanreize zugunsten der traditionellen Familienmodelle etc.

Das Missverhältnis in der Aufgabenverteilung wird noch ausgeprägter, wenn in Rechnung gestellt wird, dass gerade gleichberechtigt lebende Haushalte einen beträchtlichen Teil der anfallenden Arbeiten durch Beizug von Dritten bestreiten. Und diese Dritten sind: meist Frauen. Sie arbeiten in Kitas und Hortens oder putzen unsere Wohnungen. Diesen Umstand benennt nicht nur die letzte NZZ am Sonntag, er war auch Auslöser eines vieldiskutierten Blog-Artikels im ‹Tagesanzeiger› mit dem Titel «Die neuen Dienstmädchen». Der Artikel kritisiert die unhaltbar tiefen Löhne von Care-Arbeiterinnen. Das ist richtig und wichtig. Aber es war dort auch zu lesen: «Hinter jeder Frau, die Job und Familie vereinbart, stehen andere Frauen».

Vereinbarkeit geht Frauen und Männer an

Diese Formulierung zementiert genau die Geschlechterrollen, ohne deren Überwindung es eben gerade keine wirkliche Gleichstellung geben kann. Denn es kann und darf nicht darum gehen, dass diese Frage nur das Problem der Frauen ist, die Job und Familie vereinbaren wollen. Sie ist ein Problem von beiden! Väter sind doch genauso auf Kinderbetreuungseinrichtungen und Haushalthilfen angewiesen.

Wie die Zahlen belegen, gilt dies aber nach wie vor bloss in der Theorie. Die Praxis zeigt, dass in viel zu vielen Köpfen eben immer noch eine klare, vermeintlich natürliche Rollenzuteilung verankert ist: Für Haus und Kinder, also das Private, sind die Frauen zuständig. Für die Erwerbsarbeit die Männer. Geschlechterstereotypen schaden uns allen und zementieren Ungerechtigkeit. Nur wenn wir einengende Geschlechterrollen überwinden, schaffen wir gerechte Verhältnisse.

Deshalb hat die Geschlechterkommission der SP Kanton Zürich für den Frauen*streik verschiedene Postkarten erstellt, die dazu anregen, solche Rollenbilder zu hinterfragen. Tagtäglich begegnen uns gesellschaftliche Erwartungen, wie sich ein ‹richtiger Mann› und eine ‹richtige Frau› zu verhalten haben. Mit der simplen Zweiteilung in ‹weiblich› und ‹männlich› opfern wir unsere Individualität. Und mit der Behauptung, das Geschlecht gebe den Männern eine natürliche Fähigkeit für wirtschaftliche und politische Aufgaben, Frauen hingegen für erzieherische und häusliche, schreiben wir diskriminierende Verhältnisse fort. Deshalb ist es so wichtig, dass wir am heutigen Frauen*streik alle Rollenbilder hinterfragen. Deshalb muss aber vor allem endlich an den Strukturen und Rahmenbedingungen gearbeitet werden, die es für echte Wahlfreiheit braucht. Das alles ist bekannt, es geht um den Willen, es zu tun!